Füttern schadet.

Wildtiere brauchen keine Fütterung durch den Menschen. Langjährige Erfahrungen zeigen, dass es dem Wild und dem Wald ohne Winterfütterung besser geht. In Graubünden gilt deshalb ein Winter-Fütterungsverbot für Schalenwild (Hirsch, Reh, Gämse, Steinbock). Es wurde erlassen, damit die Tiere sich in ihren Winterlebensräumen natürlich verteilen, sich weniger auf Strassen und Schienen in Gefahr bringen, kein schädliches Futter bekommen und keine Krankheiten auf Nutztiere oder gar den Menschen übertragen.

Neben der gezielten, «aktiven Fütterung» durch das offene Angebot von Heu, Emd, Salzlecksteinen und Silage, Obsttrester, Mais, Rüben, Kartoffeln, Kraftfutter oder Pellets werden Wildtiere auch durch «passive Fütterung» angelockt.

Passive Fütterung erfolgt oft unbewusst: Siloballenlager, offener Kompost im Garten, Abfallsäcke auf der Strasse oder frei zugängliche Grüngutdeponien sind Futterquellen, welche Wildtiere anlocken und gefährden können.

Fütterung nur durch Fachleute.

In Ausnahmesituationen – etwa in besonders harten Wintern – lässt der Kanton Fütterungen durch Fachleute durchführen. Direkt in ihren Winterlebensräumen erhalten die Tiere dann beispielsweise Heu oder es werden einzelne Bäume gefällt, von deren Nadeln und Rinde die Tiere fressen können.

Diese Fütterungen sind keine grossflächige Nothilfe, sondern eine sogenannte Lenkungsmassnahme. Sie dienen einzig dem Zweck, Wildtiere in ihren Winterlebensräumen zu halten, denn dort können sie den Winter am besten überleben. Wildtiere gehören in die freie Natur und nicht in Siedlungen und auf Verkehrsachsen.

Gesundheitsgefahr für Mensch und Tier.

Seit einigen Jahren wird bei Rindern und bei Wildtieren wieder vermehrt Tuberkulose festgestellt. Sammelt sich Wild bei Futterstellen oder kommen Wild- und Nutztiere in Kontakt, erhöht sich die Gefahr der Übertragung von Seuchen. Dabei kann Tuberkulose vom Wild auf Nutztiere und von diesen wiederum auf Menschen übertragen werden. Umgekehrt sind Wildtiere empfänglich für Krankheitserreger unserer Nutztiere. Die unsachgemässe Fütterung von Wildtieren kann deshalb zu einer Gesundheitsgefahr für Nutztiere und Menschen werden.

Schäden am Wald.

Wird Wild durch Futterstellen angelockt, sammeln sich viele Tieren auf engem Raum. Sie nutzen dort nicht nur das menschliche Futterangebot, sie verbeissen auch junge Pflanzen oder schälen die Rinde von Bäumen. Futterstellen können deshalb zu schweren Schäden am Wald führen. Dies schränkt den natürlichen Lebensraum der Tiere weiter ein und kann auch die Funktion von Schutzwäldern gefährden.

Unbekömmliche Nahrung.

Hirsche, Rehe und Gämsen stellen ihr Verdauungssystem speziell auf die karge Winternahrung ein. Heu, Silage, Kompost oder Brot sind für Wildtiere dennoch ein verlockendes Futterangebot. Es ist aber eiweiss- und nährstoffreich und entspricht daher nicht der natürlichen Winternahrung. Durch das eiweisshaltige Futter stellt das Wild seinen Organismus vom energiesparenden Winterstoffwechsel wieder auf Sommerbetrieb um. Somit benötigt ein Tier wieder mehr Futter.

Nährstoffreiches Futter kann zu Verdauungsstörungen führen und bringt den Stoffwechsel der Tiere auf ein höheres Energieniveau. Damit werden die natürlichen Sparmassnahmen des Tierkörpers ausser Funktion gesetzt. Vermeintlich helfendes Zufutter kann so zur tödlichen Falle werden.

Stress statt Hilfe.

Soziale Auseinandersetzungen finden im Winter normalerweise kaum statt, denn sie rauben den Wildtieren sehr viel Kraft. Futterstellen führen aber zu Wildkonzentrationen. Sie bedeuten für die einzelnen Tiere oft Stress und Konkurrenz – vor allem für Tiere, die in der Gruppe einen niedrigen Rang haben.

Rangniedere Tiere verlassen die Futterstelle oft mit leerem Magen. Denn haben die Stärkeren gefressen, ziehen sie weiter. Die Rangniederen müssen sich dann zwischen dem Fressen und der Gruppe entscheiden. Sie bleiben bei der Gruppe und kehren nicht gestärkt, sondern geschwächt von der Wanderung zur Futterstelle zurück. Viele von ihnen verenden.

Selbst wenn die Futterstellen nachgefüllt werden, helfen sie dem Wild nicht. Das Angebot an nährstoffreichem Futter und die Wanderungen zu den Futterstellen halten den Energiehaushalt der Tiere auf einem für den Winter zu hohen Niveau. Schwaches Wild verendet trotz des menschlichen Futterangebots.

Wölfe im Schlepptau.

In Gebieten, wo sich Beutegreifer wie Luchs oder Wolf wieder angesiedelt haben, ist die Wildtierfütterung besonders heikel. Futterstellen ziehen viele Wildtiere an und sind für Grossraubtiere besonders attraktiv. So können Futterangebote in Siedlungsnähe sogar zu Problemen mit dem Wolf führen. Denn dieser folgt seiner Beute teilweise bis in die Siedlungen.